Tag 2 - Stressig aber das ist es Wert
Der zweite Tag meiner Reise begann zu einer etwas christlicheren Zeit als der Erste. 06:00 aufstehen, duschen, zusammenpacken, 06:30 Frühstück, Gewichtsverteilung zwischen Koffer und Rucksack checken, 07:15 auschecken, 07:30 ab zum Flughafen.
Der Flug von Kopenhagen nach Kangerlussuaq war so weit gemütlich und ereignislos. 10:20 Abflug, 11:00 Landung, dazwischen 4:40h Flug. Zeitzonen sind schon was lustiges.
Damit beginnt nun auch der grönländische Teil dieser Grönland-Reise. Wie schon erwähnt ist mein Ankunftsort in Grönland (wie für den großteil der Reisenden nach Grönland) Kangerlussuaq. Eine zweite internationale Verbidung existiert noch zwischen der Hauptstadt Nuuk und Keflavik in Island. Diese Route wird aber nicht von den beiden A330 von Air Greenland bedient sondern den gleichen DHC 8-200 Turbo-Prop Maschinen von denen eine uns bald nach Ilulissat bringen wird.
Bevor ich weiter meine Erlebnisse schildere, ein kurzer Abstecher zur grönländischen Sprache (Kalaallisut). Dabei handelt es sich um eine Sprache aus der Gruppe der Inuit-Sprachen. Sie ist stark mit den kanadischen Inuit Sprachen und Dialekten verwandt. Wie die meisten (oder alle, ich bin mir nicht 100% sicher) Vertreter dieser Sprachen werden Sätze durch Stammwörter gebildet, die mit Präfixen und Suffixen abgeändert werden um die gewünschte Bedeutung zu symbolisieren.
Das bedeutet, dass ganze Sätze aus einem Wort gebildet werden können (bitte bei Interesse googeln). Wörter für die es keine Stammwörter gibt werden einfach durch Umschreibungen gebildet. So lautet das Wort für Flughafen Mittarfik. Das Basiswort beschreibt das Verb landen (im Sinne von aus der Luft, nicht vom Wasser aus), das erste Suffix (tar) zeigt an, dass das Verb regelmäßig oder für gewöhnlich ausgeführt wird (im Gegensatz zu einmaligen Handlungen) und das zweite Suffix (fik) zeigt an, dass das vorangegangene einen Ort beschreibt. Es handelt sich also um einen Ort wo gewöhnlich etwas Landet.
Zurück zur Reise. Kangerlussuaq (Großer Fjord) ist eine Siedlung mit etwa 500 Einwohnern und einem internationalen Flughafen. Der befindet sich dort weil die USA zwischen 1941 und 1992 an dieser Stelle eine Luftwaffenbasis unterhalten haben. Seit den 1950er Jahren war aber auch die zivile Nutzung erlaubt.
Mit Ende des Kalten Krieges wurde die Luftwaffenbasis aufgelassen und der Flughafen mit allen Gebäuden für eine symbolische dänische Krone an die Regionalregierung verkauft. Wieso bietet mir eigentlich niemand große Infrastruktur zu einstelligen Geldbeträgen an? Irgendwie unfair...
Nach Ankuft ging es gleich weiter in die Unterkunft. Ging ist in diesem Fall wirklich zutreffend, weil der Weg vom Ausgang des Flughafens zum Eingang des Hotels etwa 200 Meter lang ist.
Kurz das Gepäck im Zimmer verstaut ging es schon weiter zum nächsten Termin, 12:00 Willkommensgespräch mit dem lokalen Tourguide und Programm/Treffpunkte Bekanntgabe.
Erster Treffpunkt war dann kurze Zeit später um 13:00, Ziel, das Inlandeis, oder wie ich es nenne, den zweitgrößten auf Land gelagerten Eiswürfel der Welt (für den Größten bitte einen Globus suchen und am unteren Ende nachschauen). Das grönländische Inlandeis ist im Schnitt 2,5km dick, an der dicksten Stelle 3,5km. Duch Schneefall sammeln sich immer wieder neue Schneeschichten an und drücken das alte Eis unaufhörlich nach außen Richtung Meer mit etwa 30 cm pro Tag.
Von Kernbohrungen weiß man, dass die ältesten Schichten etwa 500.000 Jahre alt sind, darin eingeschlossen Spuren diverser Vulkanausbrüche und von allem was der Mensch seit der industriellen Revolution in die Luft geblasen hat.
Letzerer Aspekt und die damit einhergehenden Klimaveränderungen bewirken ein Abschmelzen der Eiskappe, eindrucksvoll zu sehen an verschiedenen Muränen knapp außerhalb von Kangerlussuaq wo sich das Eis in den letzten 20 Jahren um fast 500 Meter zurückgezogen hat und die Muränen nun als alleinstehende Sand- und Schotter-Hügel zurückgelassen hat.
Durch das abschmelzen sinkt der Druck auf das Festland unterhalb des Eises, welches Tief unter dem Meeresspiegel liegt. Das hat zur Folge, dass sich Grönland hebt, mit, geologisch betrachtet rapiden, 3-5 cm pro Jahr.
Durch eine tief eingefrorene, karge Landschaft ging es dann weiter mit einem Allrad-getriebenem Tourbus (Mercedes LKW mit Bus Aufbau) ging es vom Hotel aus zum Point 660, einem Aussichtspunkt der auch den Übergang vom Festland auf das Eis markiert.
An dieser Stelle müssen wir uns kurz bei VW bedanken, die den Ausflug in dieser Form erst möglich gemacht haben. Verwirrt?
Die US Army, später dann die Airforce hat zwar die Infrastruktur in und um Kangerlussuaq errichtet, die befestigte Straße (also ein befestigert Schotterweg mit einer verdichteten Schnee-Auflage) auf das Eis war allerdings eine Idee von VW, die ihre neuen Autos unter Extrembedingungen auf Eis testen wollten. Das Projekt endete seitens VW 2004, die Straße blieb und wird seither Touristisch genutzt.
Nach knapp zwei Stunden Fahrzeit für etwa 37 km (mit ein paar strategischen Zwischenstopps) erreichte der Bus dann sein Ziel und etwa 20 Minuten Fußmarsch über Gelände und Schnee erreichte die Gruppe dann schließlich den Aussichtspunkt Point 660. Ich hab nachgefragt, ja die naheliegendste Annahme ist die Richtige, der Punkt wurde ursprünglich mit 660 Metern über dem Meeresspiegel gemessen. Spätere Messungen haben den Wert dann aber auf 585 Meter korrigiert. Aus diesem Grund tat der lokale Tourismusverband das einzig richtige und beließ den Namen bei 660 weil es einfach besser klingt.
Nach einem Haufen Fotos und etwa eine halbe Stunde später stiegen dann trotz des spektakulären Ausblicks alle ohne Protest wieder in den Bus ein. Am Eis hatte es an dieser Stelle etwa -18 Grad bei leichten aber unnachgiebigem Wind.
Auf der Rückfahrt wurde der gesamte Live-Kommentar des Fahrers, initial auf Englisch, auf Dänisch wiederholt. Da am Rückweg keine Stopps stattfanden ging die Heimfahrt etwas schneller von statten.
Während der Rückfahrt war der Blick vieler Teilnehmer zum Himmel gerichtet um zu sehen ob der spätere Programmpunkt wirklich die Teilnahme wert wäre. Am Programm stand nämlich noch für 21:00 Ortszeit (also 01:00 MEZ die wir noch gewohnt waren) Polarlichter beobachten, Für Verstimmung sorge allerdings dass während der Hinfahrt zum Aussichtspunkt eine geschlossene Wolkendecke herrschte und während der Rückfahrt vereinzelte blaue Stellen im weiß-grau der Wolken erkennbar wurden.
Der Unmut war allerdings verflogen als nach dem Essen der Mond und erste Sterne ab 19:00 und etwas spätererste leichte Schlieren am Himmel erkennbar wurden.
Insofern wurden schon vor dem offiziellen Ausflug und trotz Flughafen-Beleuchtung erste Aufnahmen geschossen.
Pünktlich um 21:00 ging es dann los, etwa 20 von der Siedlung entfernt zu einem alten leerstehenden US Armee Gebäude. In der Stelle brach dann das Schauspiel los.
Nach dem Auslöser und Speicherkarten trotz der vorherrschenden -18 Grad glühten ging es mit dem Bus zurück in die Siedlung zum Ortsmuseum. Dort erhielten wir von unserem Tourguide noch eine kurze Präsentation rund um Nordlichter und Abschluss fand der Abend dann mit einem Schauspiel was relativ trocken als Grönländischer Kaffee angekündigt wurde.
Man nehme ein hitzebeständiges Trickglas, fülle dieses zunächst mit 2cl Whisky der Wahl und 2cl Kalua. Je nach gewünschter Stärke folgt dann ein variabler Anteil Kaffee (stellvertretend für die dunklen Winternächte in Grönland). Den vermeintlichen Abschluss bildet dann eine Obers-Haube, die das Eis der Insel repräsentieren soll.
An dieser Stelle beginnt dann aber die eigentliche Show. Das Licht wird ausgeschaltet oder abgedunkelt. Nun fülle man einen Schöpfer mit 2-4cl Grand Marnier, füge etwas Feuer hinzu und gieße dann den den brennenden Likör über das Schlagobers. Je höher man sich dabei den Schöpfer halten traut, umso beeindruckender ist das Schauspiel, denn die dabei entstehenden blaue Feuersäule repräsentiert das Nordlicht.
Nach diesem gut schmeckenden aber doch recht potenten Abschluss-Getränk ging es zurück ins Hotel und schnell ins Bett.